HAU DEN LUAZ
Das Schnäppchen aus der Ukraine gehört eher auf den Jahrmarkt als auf die Straße.
Oder etwa nicht?
"Unauto. Klapperkasten", sagt Walter Ekkardt. Ein gepeinigter Kunde? Falsch. Ein ehrlicher Kaufmann. Eckardt ist Geschäftsführer der Luaz Kraftfahrzeug GmbH in Rehau (zehn Kilometer östlich vom oberfränkischen Oberkotzau). Der Importeur also. Will er sich den Umsatz mit dem lustigen Luaz vermiesen? Nein. Erstens macht er so gut wie keinen, zweitens sieht er sein "Geschäft nur als Blödsinn", und drittens ist da ja noch der Wagen selbst.
Allein der Markenname - klingt er nicht wie das herzhafte Räuspern, das der verwöhnte Testfahrer nach dem Proberitt von sich gibt? Todesmutig tritt er zum Selbstversuch an. Schon von weitem sieht der Ost-Offroader zwischen den rund gefeilten Neuwagen auf dem Testwagen-Parkplatz aus wie Aschenputtel unter Mannequins. Die Fahrertür klemmt. Macht nichts, die Heckklappe ist ja nicht abschließbar. Fehlt nur der Dauerndgeöffnet-Sticker. Endlich drinnen, geht es im Kriechgang um die Pfützen herum Richtung Fahrersitz. Das Flatterverdeck war während des letzten Schauers schon drauf. Genützt hat es wenig. Macht nichts, denn zwei Badewannen-Abläufe samt Stöpseln gehören im wahrsten Sinne des Wortes zur Grund-Ausstattung. Der Motor kommt auf Kommando, dieselt aber wie ein alter Taiga-Trecker. Dabei ist er ein modernes Triebwerk - der Anderthalbliter stammt von Peugeot. Doch der Verzicht auf Geräuschdämmung läßt den Fahrer glauben, er klebe mit dem Ohr an der Ölwanne. Ohne Filter auch die Motorhalter, der ganze Aufbau nagelt mit. Die ständige akustische Bestandskontrolle macht ein Check-Control überflüssig - was mitklappert, ist wohl auch noch nicht abgefallen. Blick auf das Schaltschema. Ein Spiegel-Erlebnis: Liegen doch die vier Fahrstufen außerhalb der Norm. Wo sonst erster und dritter Gang einrasten, liegen bei Luaz zweiter und vierter. Und umgekehrt. Also aufgepaßt und ins Hirn gehämmert: Immer links unten anfangen. Die Kupplung schnappt herzhaft zu, los geht die wilde Fahrt. Hebel nach links oben in den zweiten geschoben - und so ab 30 zeigt plötzlich die Lenkung, daß mit ihr nicht zu spaßen ist. Das etwa 15 Zentimeter lange Leerspiel am Steuerkranz macht aus heftigem Kurbeln nur noch eine unverbindliche Fahrtrichtungs-Empfehlung. Dazu singen die zahlreichen Zahnräder des Antriebsstrangs ihr Arbeitslied - man merkt nicht nur, daß das Muli marschiert, man hört es auch aus jeder Ritze. Ab 50 bessert sich der Geradeauslauf. Mutig die Nadel auf 70 getrieben und den Schaltknüppel nach rechts oben in den vierten gewuchtet. Sitzt da eine Putzfrau mit Teppichklopfer auf dem Verdeck? Entwarnung: Es ist der Wind, der an dem Zelt zerrt. Überraschung bei Tempo 80: Die Kamikaze-Kutsche macht sich gerade, läuft plötzlich fast wie auf Schienen. Bis knapp 100 - oder sogar 105. Da stoppt eine süßlich stinkende Frostschutz-Fahne unseren rasanten Ritt. Die vier Trommelbremsen geben alles - jede natürlich in eine andere Richtung. Fester treten, gegenmanövrieren, endlich steht der störrische Maulesel. Dem scharfkantigen Türrahmen fällt die AUTO BILD-Jacke zum Opfer. Beim Öffnen der Motorhaube verabschieden sich die Scharniere Marke Zahnpastatube. Der Motorraum aber bietet Durchblick. Aha, da unten: Eine Schraubschelle hat den Kühlschlauch zum Springbrunnen gestanzt. Reparatur in zehn Minuten. Hat schon was, so eine simple Technik. Nun erst mal langsam weitergefahren, denn die nächste Station heißt Kieskuhle.
Für dieses Terrain ist der Zuschalt-Allradler schließlich gedacht. Doch die polnischen Pneus streichen schon im knöcheltiefen Morast die Segel. Der Wagenboden liegt schnell auf, die kleinen 13-Zöller drehen ohne Grip durch. Wieso hatten wir eigentlich mal Bammel vor der Sowjetarmee? Kann der Luaz überhaupt etwas richtig? Ja, uns begeistern. Ein Neuwagen, neben dem ein Lada wie eine Luxus-Limousine wirkt - wenn das keine Herausforderung ist! Diese motorisierte Verzichtserklärung mit ihrer urig ukrainischen Patina ist uns richtig ans Herz gewachsen. Unwichtig, daß Luaz an allen Falzen und Kanten gammelt. Daß die Sitze aus dem Polski-Bambino stammen, weil die originalen laut Importeur beim ersten Schlagloch zusammenbrechen. Daß die Schweißnähte aussehen, als hätte Mamutschka den Lötkolben geschwungen. Darum: Der schrullige Luaz ist eines der letzten Abenteuer. Für 9990 Mark (mit Tageszulassung, ohne Garantie; als Bausatz ohne Motor ab 3000 Mark) macht er jeden Sofa-Schlaffi zum Survival-Spezi - auch eine Kunst.