Gönn Dir'nen Gaz!

JAHRZEHNTELANG VERRICHTETE DER RUSSISCHE GAZ SPUR- UND LINIENTREU SEINEN DIENST IN DEN ARMEEN DES WARSCHAUER PAKTS. DOCH MIT DER WENDE KAM DAS ENDE: DER OLDIE WURDE AUSGEMUSTERT UND ALS ROSTIGER ROTARMIST AN ZIVILISTEN 
VERSCHLEUDERT



Russlands Autobauer sind nicht gerade als begnadete Filigrantechniker bekannt. Sie lieben's eher rustikal. Neben viel Murks gelangen ihnen manchmal aber auch zeitlose Produkte von unbestreitbarer Qualität.
Ein Glücksgriff ist der GAZ. Es muß wahrlich nicht immer Kaviar sein, zuweilen vermag auch deftige Auto-Kost zu ge-fallen! Und so haben insbesondere die Liebhaber knochenharter, ursprünglicher Karren an Styling und Performance des russischen Rabauken ihren Spaß.
Fast 40 Jahre setzten die Warschauer-Pakt-Truppen den ab 1952 im russischen Gorki-Werk gebauten GAZ 69 ein. Ursprünglich geht der Wagen auf einen Allradler zurück, den der US-Autoriese Ford auf eine Ausschreibung der amerikanischen Militärs im Jahre 1940 hin konstruierte.

 

Die Ursprünge des GAZ gehen auf den 4x4 Ford, Bj. 1940, zurück

 

Mancher Leser erinnert sich noch an unsere Entwicklungsgeschichte des Willys Jeep! Gegen Willys Overland zog der Ford-Prototyp damals den kürzeren. Als Trost durfte Ford zwar den Willys Jeep - wegen des massenhaften Bedarfs im II. Weltktieg - in Lizenz nachbauen, doch was sollte mit dem allradgetriebenen Eigengewächs geschehen. mit dem kein 
großes Geschäft mehr zu machen war? Go East!
Im Rahmen allierter Militärhilfe für die UdSSR wanderten alle Werkzeuge und Fabrikationsanlagen via Polarmeerfrachter  1942 ins stalinistische Russland.
10 Jahre später präsentierten die Russen eine umfassende Weiterentwicklung, an der sie - von einer neuen
Vorderachse und Bremsanlage gesehen - keine größeren Veränderungen bis zum Baustopp mehr vornehmen sollten. 

Mit dem Mauerfall startete der russische Allesüberwinder seine neue Karriere  Als Freizeit- und Spaßgefährt. Windigege Geschäftemacher, welche die schnelle Mark  witterten, rückten den knorrigen 4x4 jedoch
doch bald in ein übles Zwielicht, indem sie kaufkräftigen Kunden kariöse Karossen andrehten:

                                  

 Sie tunkten selbst die übelst abgehalfterten Wagen hastig in frisches Olivgrün und verscherbelten den ranzigen Russen hurtig weiter! Sie lockten mit niedrigen Kilometerständen und wollten wissen, dass der Veteran all die Jahre nur eine ruhige Kugel geschoben hätte. Misstrauen wäre gegenüber solchen Auskünften mehr als angebracht gewesen, denn wer hätte über die jahrzehntelange Vergangenheit der Autos schon lückenlos oder auch nur halbwegs verlässlich Auskunft geben können? Kaufwillige waren und sind bis heute gut beraten, hinsichtlich der Vorgeschichte

eines GAZ vom Allerschlimmsten auszugehen. Sie rechnen besser damit, dass schikanierte, schlecht ernährte und erbärmlich besoldete Soldaten ihren Frust am GAZ ausgelassen haben und im Brutalo Stil durchs Gelände geholzt sind, während andere Fahrzeuge wiederum achtlos abgestellt,

schließlich vergessen wurden und ergo vergammelten.

Wohl gab es regelmäßige Inspektionen, aber was haben die Klempner-Kompanien an den Autos gemacht? Und wieviel Jahre mag der GAZ auf seinem reizvollen Blechbuckel haben: 25,30,40 oder gar noch mehr Jahre? Nix genaues weiß man nicht! Reparatur-Protokolle oder Service-Heftchen sind nämlich nicht vorhanden. Ganze Baugruppen wurden munter untereinander getauscht, an manchem GAZ wurde lediglich rumgepinselt, andere erhielten dagegen vielleicht einen Austauschmotor oder neue Tacho-Uhren (womit schon ein dickes Fragezeichen hinter die Angabe der Laufleistung zu setzen wäre). Dass die Armee-Werkstätten ihren Dienst eher locker vom Hocker verrichteten, dafür spricht die gängige Praxis,

die Typenschilder einfach runterzuschleifen oder rauszureißen, weil die Plaketten bei den Blecharbeiten im Wege waren.

 

Der zweiteilige Windschutzscheibenrahmen gehört zu den Problemzonen. Besonders der untere Teil erweist sich als zumeist völlig verrottet. Ersatz ist ohne gute Ostkontakte nur schwer aufzutreiben. Hier ist Improvisation gefragt.

 

Und gerade diese Untat ist es,die es heute ungemein erschwert, Licht in die dunkle Vergangenheit des jeweiligen Autos zu bringen. Hat man einen taffen 69er und keinen falschen Fuffziger erwischt, bereitet der Allradler viel Freude. Er ist hart im Nehmen und im Fall des Falles sogar relativ leicht zu reparieren: "Unsere Schlüsselgrößen greifen, und an (billigen) Ersatzteilen", versichert Hans-Arnold Schell, GAZ-Experte aus Kasel bei Trier, "herrscht kein Mangel".

Viele Parts werden obendrein in ordentlicher Qualität in Polen nachgefertigt. "Manches, wie z.B. das Kupplungsdrucklager", so der Spezialist für russische Geländewagen weiter, "holen wir aus den USA. Das hat Ford noch über Jahre in seine eigenen Modelle eingebaut. Ja,der GAZ ist noch ein Auto von altem Schrot und Korn. Kunststoffteile? Fehlanzeige! Am massigen Metall-Body freut sich leider nicht nur der Nostalgiker, sondern auch der Rost, der hier ordentlich was zu Beißen findet. Die Korrosionsvorsorge bestand lediglich in Form einer dicken Farbschicht, die

im Laufe der aktiven Dienstzeit mehrfach großzügig nachgespachtelt wurde. 10 Lackschichten und mehr sind beileibe keine Seltenheit. Genutzt hat die Verschwendung von Farbe in der Regel eher wenig. Darunter blühte munter der Rost! Der Gilb -findet sich im Fußraum, indessen Vertiefungen sich Stehwasser sammeln kann.

Korrosionsherde sind ferner Kotflügel und Radkästen, Einstiege, Radaufhängung, Kraftübertragung, Kühler und Felgen.

Feuchtigkeit kriecht auch gerne unter die Falzkanten und in die Zwischenräume des zweiteiligen Windschutzscheibenrahmens.

Topf und Endrohr der Auspuffanlage neigen zu schnellem Verfall. Hier gilt, dass die Original GAZ- Tüte fast mittig unter dem Auto endet; dagegen hat die NVA ihre Wagen mit einem langen Endrohr, das seitlich geführt wird, versehen. Aus dickwandigem Eisen gefertigt, geht das trotz Rost so schnell nicht kaputt. Ein Blick unter die Lkw-artige Motorhaube gibt den Blick auf den wassergekühlten Vierzylinder, der zunächst 55 PS, später 65 PS leistete, frei.

 

  

Der 2,4-Reihenvierzylinder ist zwar kein Kraftprotz, aber dafür robust und bei fachgerechter Pflege unkaputtbar

 

Hightech-Freaks werden angesichts der biederen Technik zwar kaum mit der Zunge schnalzen, hingegen erfreuen sich Puristen am urwüchsigen Sound und den Good Vibrations der 2,4 Liter.

Bloß bei der Elektrik will der Funke nicht so recht überspringen. Schadhafte Teile, korrodierte Kontakte und schlampige Wartungsarbeit bescheren gleich haufenweise Stromteufel. Es lohnt sich deshalb, nach entsprechend umgerüsteten Fahrzeugen Ausschau zu halten.

Heinz Hentschel, GAZ- Händler in Köln, verwendet für seine Fahrzeuge z.B. ausschließlich Bosch-Zündkerzen, für deren Gewinde größere Bohrungen in die Zylinderköpfe geschnitten werden müssen. Zudem rät der Rheinländer, den DDR-Verteiler gegen ein Modell aus Polen auszutauschen: "Die sind zwar teurer ,lohnen aber den Kostenaufwand durch ihre höhere Qualität und Zuverlässigkeit. "Verdruss im Überfluss bis in unsere Gegenwart bereitet leider auch die typische Unart  der Wartungstechniker, bedenkenlos alte Verkabelungen zu kappen und neue Strippen einzuziehen. Weder wurde dabei auf den Schaltplan Rücksicht genommen, noch an spätere Reparaturen gedacht, denn die Schlaumeier verwandten stets unifarbene Kabel.

Besonders ärgerlich: Falls noch kein neuer Kabelbaum eingezogen wurde, müssen bei Defekten die Leitungen mühsam verfolgt werden.

Zurück zum Motor: Zuleitungen und Kühler neigen zu Durchrostungen! Das führt zu Schmier- und Kühlmittelaustritten. Ölverluste an Ölwanne und Differential sind zwar ebenfalls häufiger anzutreffen, "zum Glück aber nicht so dramatisch." (Hentschel)

Er erinnert sich noch an viele Kuriositäten, die in der Anfangszeit immer wieder Ursache für Pannen mit den Fahrzeugen waren: "Oftmals waren Schrauben und Muttern lediglich mit der Hand festgedreht. Die Schrauben ordentlich mit dem Schlüssel angezogen - und schon waren die Probleme behoben."

Dass der GAZ eine derartig lasche Wartung und miese Behandlung überstanden hat, spricht für seine Rossnatur! Echt tierisch ist auch die aus Leder (!) gefertigte Beschleunigungspumpe des Vergasers. Längere Standzeiten lassen das Material austrocknen, so dass die Pelle vor dem Start zunächst mittels Handpumpe mit Sprit angefeuchtet und geschmeidig gemacht wird. Tückisch präsentiert sich auch die Zuleitung zwischen Ben-

zinpumpe und Vergaser. Das Original-Kupferrohr dient ungewollt als Wärmeleiter, und ruckzuck hat die Motorhitze den Vergaser leergekocht - was zu Startproblemen bei warmer Maschine führt. Eine einfache Metallummantelung sorgt hier bereits für Abhilfe.

Was macht dem GAZ noch das Leben schwer? Der schlampige Umgang mit dem Schmierdienstplan! Vor dem Festgehen der Ventile schützt nämlich nur die peinlich genaue Einhaltung der vorgeschriebenen Ölwechsel-Intervalle (alle 3000 km!) - ansonsten droht unweigerlich Ölschlammbildung.

Achtung: beim Ölwechsel dürfen die Ölfein- und Ölgrobfilter nicht vergessen werden! Auch sonst muss der Russe sein Fett wegkriegen: Kardanwelle, Achsköpfe und Lenkung wollen großzügig geschmiert werden - ist halt eine Vorkriegskonstruktion und damit damaliger Stand der (Schmier-) Technik.

Die gute alte Handkurbel (!), mit welcher der GAZ bei streikender Batterie angeworfen wird hilft bei der Überprüfung der Kompression. Sie muss sieh gleichmäßig durchdrehen lassen, während die einzelnen Zylinder in die Verdichtung gehen; wird's dagegen spürbar leichter, stimmt was nicht. Ein einwandfreier Motor begnügt sich mit etwa 14-16 Litern Bleifrei-Normal- falls gehärtete Ventile eingebaut worden sind.

Den GAZ zu fahren - das ist eine Sache für sich. Schon das Kraxeln auf den- Fahrersitz und das Spüren des monströsen Lenkrades ist ein Erlebnis. Als dann blickt der Fahrer auf einen blechernen Instrumententräger, der mit in kyrillischer Schrift bedruckten Uhren bestückt ist.

Das Cockpit des GAZ liefert ohne jeden Firlefanz alle wichtigen Informationen. Teppichboden, Dämmmatten? Nientel

 

Sie geben Auskunft über Tankfüllung, Öldruck, Ampere und Wassertemperatur. Zusätzlich zeigen zwei runde Leuchten den Blinkerbetrieb an bzw. warnen bei geschlossener Kühlerjalousie vor der Gefahr der Motor-Überhitzung. Dass bei ausgeschalteter Zündung die Nadel der Temperaturanzeige stets bei 110 Grad steht, ist übrigens nur eine weitere Kuriosität des GAZ und keinesfalls ein Grund zur Beunruhigung! Gestartet wird der GAZ durch Einstecken und Drehen des Schlüssels sowie durch die anschließende Betätigung des Anlasserpedals, das aus dem Kardantunnel ragt; gleichzeitig tritt man mit dem linken Fuß das Gaspedal durch - nach einigem Orgeln und Gurgeln schüttelt sich der Vierzylinder und erwacht rauh splotternd.

Die blaue Fahne, die der Auspuff dabei abnebelt, ist für den GAZ normal: Vor 40 Jahren waren verminderter Schadstoffausstoß und Abgasreinigung noch kein Thema!

Der russische Allradler ist permanent hinterradgetrieben. Über einen kleinen Hebel kann die Geländereduktion für die Hinterachse zugeschaltet werden; dann sinkt die Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h auf 32 km/h.

In schwierigem -Gelände schaltet der Pilot mittels eines zweiten Knüppelchens die Vorderachse zu, "doch das ist-, so GAZ-Mann Hentschel, "nur auf schlammigem Untergrund zu empfehlen, sonst zerreißt es Dir die Antriebsachse. -Geschaltet wird über ein Dreigang-Getriebe, dessen 1. Gang nicht synchronisiert ist. So knattert der rauhe Russe mit viel Lärm und Gestank über den Asphalt.

Dabei kostet es den Chauffeur einige Kraft, den störrischen Klapperkasten unter Kontrolle zu halten. Mit ordentlich Schmackes stemmt sich das Bein auf die Bremse, die dennoch nur mit erheblicher Verzögerung reagiert. Muskelschmalz erfordert auch die Lenkung. Gut, dass der GAZ kein flotter Flitzer ist, sondern gemächlich zur Sache geht; auf diese Weise artet die Fahrt nicht in schweißtreibenden Stress aus.

Knochentrocken hüpft der Wagen über Stock und Stein. Die heftigen Schläge, die das Fahrwerk nahezu unvermindert an die Insassen weitergibt, sind gewiss nichts für verwöhnte Pobacken.

Auf der Piste geht's nur schleppend und zäh voran: Mit der schneckengleichen 90 km/h Höchstgechwindigkeit ist der

auch weniger für Langstrecke als für Arbeits- und Geländeeinsatz gedacht. Und hier garantiert der Wagen für jede

Menge urtümlichen 4x4Fahrspaß.Der Preis für einen GAZ in Top-Kondition sollte 8000 - 10000 Mark nicht überschreiten.

Dafür gibt es ein Auto, das zwar technisch hoffnungslos veraltet und mit zahlreichen Schrullen bestückt ist, aber auch den urtümlichen Charme eines Pioniers der Offroad-Geschichte besitzt.

 

Motor:  wassergekühlter Reihenvierzylinder mit unterliegender Nockenwelle,stehende Ventile.4-fach gelagerte Kurbelwelle
Hubraum: 2430 ccm.
Kompression:                        6.5-6.7:1
Bohrung x Hub:                   82 bzw. 88 x 100
Leistung: 65 PS (48 kW) bei 3800 U/min
Drehmoment max. 160 Nm bei 2000 U/min
Höchstgeschwindigkeit:  90 km/h
Zulässige Dauergeschwindigkeit: 80 km/h
Kraftübertragung:

permanenter Hinterradantrieb. Vorderräder über Verteilergetriebe zuschaltbar,Geländereduktion. Dreigang-Schaltgetriebe, 1. Gang nicht synchronisiert.

Fahrwerk:   vorne und hinten Starrachse, Halbelliptik-Blattfedem, vorne zusätzliche Stoßdämpfer,Hydraulische Einkreisbremsanlage. Trommelbremsen vorn und hinten.
Karosserie: Kastenrahmen mit aufgeschraubter Stahlkarosserie. 2 oder 4 Türen. 1Heckklappe, 2-8 Sitzplätze.
Steigfähigkeit: 55
Wat-Tiefe in cm: 55
Überhangwinkel    bei voller Belastung 45 Grad vom 35 Grad hinten
Radstand in mm: 2300
Spurweite in mm: 1440
Bodenfreiheit in mm:  210
Leergewicht in kg:       1525
Zuladung in kg: 650